Zurück Wie definiert Europa die Nationalität eines Films oder Fernsehprogramms?

Neuer Mapping-Bericht der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle
Wie definiert Europa die Nationalität eines Films oder Fernsehprogramms?

'Mapping of the regulation and assessment of the nationality of European audiovisual works' hier kostenlos herunterladen

Die Definition der Nationalität eines Films oder allgemein eines audiovisuellen Werkes hilft, noch vor Beginn der Produktion zu bestimmen, welchen Erfolg und welches Schicksal ein audiovisuelles Werk haben wird. Die Nationalität eines Produktionsprojekts kann Türen zu verschiedenen Finanzierungsquellen öffnen oder aber auch schließen. Und eine fertige Produktion, die als europäischen Ursprungs definiert ist, kann ihr Recht beanspruchen, in die verschiedenen europäischen Quoten einbezogen zu werden, die für in Europa tätige Rundfunkveranstalter und Abrufdienste verbindlich sind. Die Nationalität ist also von zentraler Bedeutung sowohl für den Anspruch auf Finanzierung durch Filmfonds als auch für die Investitions- und Anteilsverpflichtungen öffentlich-rechtlicher und privater AVMD-Anbieter. Es überrascht daher nicht, dass eine korrekte Definition der Nationalität eines audiovisuellen Werkes beträchtliche Auswirkungen hat und dass die Uneinheitlichkeit der bestehenden Standards die Sache bisweilen schwierig machen kann.

Höchste Zeit also für die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle als Teil des Europarats in Straßburg, eines ihrer einzigartigen Mappings vorzunehmen und eine umfassende Darstellung der Regeln bereitzustellen, die die Nationalität eines audiovisuellen Werks in Europa definieren. Diese wegweisende Studie wurde auf Ersuchen der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit einer Gruppe nationaler Experten durchgeführt.

Zum Auftakt verweisen die Autoren auf die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) als den zentralen europäischen Rechtstext, der die Regeln, was ein audiovisuelles Werk ausmacht, die Regeln zur Nationalität und die Folgen der Nationalität definiert. Dieser Text sieht in seiner jüngsten Fassung vor, dass Rundfunkveranstalter in Europa einen Großteil ihrer Sendezeit für europäische Werke reservieren müssen und dass Abrufdienste mindestens 30 % europäische Werke in ihre Kataloge aufnehmen müssen. Es kann jedoch zu Diskrepanzen kommen, da jedes Land die AVMD-Richtlinie unterschiedlich anwendet, was zu unterschiedlichen nationalen Praktiken führt, die möglicherweise sogar über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen, indem strengere oder detailliertere Regeln erlassen werden. In ihrem vergleichenden Überblick über die verschiedenen rechtlichen Bedingungen in Bezug auf die Nationalität in der EU betrachten die Autoren die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs und stellen die verschiedenen nationalen Ansätze in Fragen wie der Berichterstattung über die Einhaltung der Regeln zu Nationalität, Koproduktion und europäischen Werken und der überaus heiklen Frage der korrekten Kennzeichnung eines Werks als europäisch unter Verwendung der richtigen Metadaten einander gegenüber.

Im Weiteren untersucht der Bericht die Haltung von Akteuren der Industrie zu den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nationalität audiovisueller Werke und den verschiedenen ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten. Das Forschungsteam der Informationsstelle befragte Schlüsselakteure wie Rundfunkveranstalter und VOD-Dienste, und die gesammelten Antworten zeigen, wie komplex die Frage der Nationalität für die Industrie ist. Einer der größten Stolpersteine scheint der Zugang zu zuverlässigen Daten zur Nationalität eines Werkes für Rundfunkveranstalter oder VOD-Plattformen zu sein, die den betreffenden Film oder das betreffende Programm zu zeigen beabsichtigen. Normalerweise sollte der Rechteinhaber diese Informationen zur Verfügung stellen, und tatsächlich ist die europäische Nationalität eines Werkes häufig Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Rundfunkveranstalter und dem Rechteinhaber, der die Senderechte gewährt. Einige Akteure der Industrie greifen auf Datenbanken wie IMDb oder die Datenbanken der nationalen Filmzentren als Quellen zurück, um die Nationalität eines Films festzustellen. Die ISAN- oder EIDR-Kennung eines Films kann ebenfalls ein Mittel zur Bestimmung seiner Nationalität sein, allerdings mit der Einschränkung, dass sie nicht unbedingt zu 100 % korrekt sein muss, da die Informationen vom Registranten eingegeben und nur bis zu einem gewissen Grad überprüft werden. In Ermangelung einer standardisierten Bewertung der Nationalität eines Werkes nutzt die Industrie das Vorhandene, was die Sache manchmal sehr kompliziert macht.

Der Mapping-Bericht enthält des Weiteren nationale Rechtsüberblicke zu den 27 EU-Mitgliedstaaten und zum Vereinigten Königreich. Jedes Länderprofil folgt dem gleichen Muster und liefert Informationen zur Definition eines Werkes, zur nationalen Anwendung der Bedingungen aus der AVMD-Richtlinie, zum nationalen Rahmen und zu geplanten Änderungen, zur Frage der Kennzeichnung eines Werkes und zur Art und Weise, wie Daten auf nationaler Ebene zusammengestellt werden.

Der Bericht schließt damit, dass die verschiedenen Industrien realen Bedarf an einer europaweiten Datenbank mit zuverlässigen und harmonisierten Informationen über die Nationalität audiovisueller Werke in Europa haben. Den derzeitigen Standards zur Definition von Nationalität fehlt ein gemeinsamer Ansatz. Dasselbe gilt für die verschiedenen Metadaten, die erforderlich sind, um ein Werk als „europäisch“ zu kennzeichnen, damit es dann Anspruch hat, in die Sende- und VOD-Quoten einbezogen zu werden.

Strassburg, Frankreich 19 Juni 2020
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