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Der digitale Cyberspace kennt technisch gesehen keine Grenzen. Eine Folge von „Game of Thrones“ kann in Irland produziert sein, in Frankfurt hochgeladen und in Hongkong angeschaut werden. Mediendienste in dieser Welt sans frontiers zu regulieren, ist offenkundig eine höchst komplexe Herausforderung, wozu die täglich wachsende Zahl an neuen Mediendiensten noch beiträgt. Darüber hinaus wirft die erklärte Absicht der EU, einen digitalen Binnenmarkt mit grenzenlosem Zugang zu unseren Filmen und Fernsehsendungen zu schaffen und zu bewahren, im europäischen Raum sehr spezifische rechtliche Fragen auf. Höchste Zeit also für ein Update zum Stand der Mediengesetzgebung. Die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle als Teil des Europarats mit Sitz in Straßburg hat sich dieser Herausforderung mit ihrer jüngsten Publikation gestellt: Medienrechtsdurchsetzung ohne Grenzen.
Die Verfasser beginnen diese neue Publikation mit der Feststellung, dass „Recht und Ordnung im Internet“ in Bezug auf Medien nicht durch einzelne Ländern und ihre nationale Gesetzgebung zu erreichen sind. Kapitel eins erläutert, dass grenzüberschreitende Durchsetzung von Rechtsvorschriften in der Online-Welt von zentraler Bedeutung ist. Dies kann auf drei Ebenen geschehen: Auf regulatorischer Ebene unter Berücksichtigung nationalen und internationalen Medienrechts, auf organisatorischer Ebene, auf der Interessenträger und Strafverfolgungsbehörden zusammenkommen, was zu Selbst- und Koregulierung führt, sowie auf einer dritten, verfahrensbezogenen Ebene, auf der bilaterale und multilaterale Übereinkommen entstehen, um die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu festigen. Legislative Grauzonen entstehen, wo es kein allgemeines grenzüberschreitendes Verständnis von Grundrechten oder normativen Rechtsgrundsätzen gibt. Dies führt zu unterschiedlichen Schutzniveaus und somit Ungleichheiten zwischen den verschiedenen einzelstaatlichen Rechtssystemen.
Kapitel zwei befasst sich eingehender mit internationalem und europäischem Recht, welches in grenzüberschreitender Mediengesetzgebung Anwendung findet. Es beginnt mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und ihren elementaren Garantien an Grundrechten wie Informations- und Meinungsfreiheit und wendet sich dann EU-Gesetzgebung wie der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr oder der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste zu. Diese Rechtsinstrumente bieten Regeln für die jeweils zuständige Gerichtsbarkeit und gewährleisten das Herkunftslandprinzip. Daher vergleicht dieses Kapitel den Aufgabenbereich der unterschiedlichen öffentlichen Stellen vor dem Hintergrund geltender einzelstaatlicher und europäischer Gesetzgebung.
Kapitel drei konzentriert sich in einer Analyse von acht unterschiedlichen europäischen Ländern auf nationale Gesetzgebung in Belgien, Deutschland, Italien, Lettland, Österreich, Schweden, der Türkei und Ungarn. Zu jedem nationalen Beispiel skizzieren die Verfasser den Regulierungsrahmen des jeweiligen Landes, betrachten die verfügbaren praktischen Sanktionsmöglichkeiten und bringen dann Beispiele von in der Praxis angewandten Maßnahmen zur Durchsetzung von Rechtsvorschriften. Dazu gehören das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), nach dem soziale Medienplattformen verpflichtet sind, halbjährlich Berichte zu ihrem Umgang mit Hasskriminalität vorzulegen, oder auch das italienische Beispiel der Regulierungsbehörde AGCOM, welche nach italienischem Recht tätige ISP anwies, den Zugang zu zwei IPTV-Servern zu sperren, nachdem von diesen IPTV massive Urheberrechtsverletzungen ausgegangen waren.
Diese acht Länderberichte leiten zu Kapitel vier über, welches eine vergleichende Analyse der verschiedenen einzelstaatlichen Systeme bietet. Wenngleich viele Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen nationalen Ansätzen bestehen, bleiben doch ungeachtet der übergeordneten AVMD-Richtlinie, die in allen EU-Ländern gilt, auch viele Unterschiede. Der Schlüssel zu diesem Rätsel liegt in dem Umstand, dass die AVMD-Richtlinie den verschiedenen europäischen Ländern ein hohes Maß an Flexibilität bei der Anwendung einräumt, sodass es innerhalb der EU zahlreiche unterschiedliche Anwendungsmethoden gibt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden mit Bezug auf praktische Lösungen, die bereits von den unterschiedlichen Regulierungsbehörden angewandt wurden, analysiert.
Abschließend beleuchten die Verfasser die sich wandelnden Herausforderungen der Mediengesetzgebung in Bezug auf Online-Medien. Der Fokus hat sich von einer Begleitung des Entwicklungspotenzials von Online-Medien mit angepasster Regulierung auf die Bewältigung von Herausforderungen wie „Fake News“, gesetzeswidrige Internetinhalte, den nachhaltigen Schutz von Minderjährigen oder die Wahrung von Demokratie und Sozialethik verlagert. Der Schlusssatz dieses Berichts ermutigt zu Dialog und Diskussion als Weg in die Zukunft: „Je besser der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden [...] ist, umso stärker kann Aufsichtstätigkeit in einem digitalen und globalen Umfeld gelingen.“