IRIS Spezial Bericht: Medienpluralismus und Wettbewerbsfragen hier herunterladen
Im gegenwärtigen COVID-19-Klima von Information, Desinformation und Misstrauen scheint es um so wichtiger, den Medienpluralismus in Europa zu schützen. Damit wird sichergestellt, dass in jeder Debatte eine Vielzahl an Stimmen zu hören ist, die Wahlmöglichkeiten der Nutzer geschützt sind und keine Einzelperson oder Organisation den Informationsfluss oder anschließende Diskussionen kontrollieren kann. Monopole werden vermieden. Die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle hat gerade ihren jüngsten ausführlichen IRIS Spezial Bericht veröffentlicht: Medienpluralismus und Wettbewerbsfragen.
Dieser neue Bericht wurde unter der wissenschaftlichen Koordination von Mark D. Cole und Jörg Ukrow vom Partnerinstitut der Informationsstelle, dem Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), erstellt und umfasst Beiträge eines beeindruckenden Teams nationaler Experten.
Im Anschluss an die Einleitung bietet Kapitel zwei eine hilfreiche Betrachtung der eigentlichen Definition von Medienpluralismus. Die digitale Transformation unserer Medienlandschaft hat zweifelsohne weitreichende Fragen zur Medienkonzentration aufgeworfen. Traditionelle lineare Strukturen sind verschwunden und haben neuen, kürzeren Wertschöpfungsketten Platz gemacht. Algorithmen, die die Informationen kontrollieren und diktieren, die wir über Social-Media-Plattformen empfangen, können sogenannte Echokammern erzeugen, die die Vielfalt einschränken können. Im Kontext des Wettbewerbsrechts weisen die Autoren darauf hin, dass um eines ungehinderten wirtschaftlichen Wettbewerbs willen, der Vielfalt der Marktteilnehmer begünstigt, das Wettbewerbsrecht den Spielraum für die wirtschaftliche Betätigung dieser Teilnehmer einschränkt. Dieses Kapitel unterstreicht darüber hinaus, dass Medienpluralismus dazu beitragen kann, die Qualität und den „public value“ der Informationen, die wir empfangen, zu sichern. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist in der Tat untrennbar mit Medienpluralismus verbunden.
Kapitel drei konzentriert sich auf die wirtschaftliche Perspektive des Medienpluralismus sowie auf die neuen Auswirkungen algorithmischer Medien. Die Autoren erläutern, wie eng ökonomische Überlegungen wie das optimale Angebot an ideal ausgerichteten Medieninhalten und die gesamte Werbewirtschaft in den Medien mit dem Einsatz von Algorithmen, die das Konsumentenverhalten vorhersagen und letztlich diktieren, verknüpft und davon abhängig sind. Tatsächlich hat der Bereich der digitalen Werbung den digitalen Medien als „Spielwiese“ gedient, um zu verstehen, wie Pluralismus in einer Welt algorithmischer Medien gewahrt werden kann. Die Autoren stellen fest: „Aus medienpluralistischer Perspektive ist es von großer Bedeutung, eine Spaltung in datenreiche und datenarme Akteure zu vermeiden.“ Mit anderen Worten, Medienanbieter, die nicht in der Lage sind, Datensätze zu entwickeln und diese zu analysieren und darauf zu reagieren, werden es nicht schaffen, Werbekunden anzuziehen, womit ihnen eine wichtige Finanzierungsquelle entgeht. Im Rahmen politischer Entscheidungsfindung können politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden Normen, Instrumente und Praktiken, die sich in der Medienindustrie bewährt haben, übernehmen und die komplexe Dynamik der verschiedenen Märkte besser verstehen lernen. Dazu sind einige Finanzregulierungsbehörden öffentlich-private Partnerschaften mit Anbietern von „Regulierungstechnologien“ eingegangen.
In Kapitel vier geht es dann um die rechtliche Perspektive des Medienpluralismus. Die Autoren erläutern, wie europäisches und nationales Recht Medienfusionen und Medienkonzentration regelt. Sie betrachten zudem die Möglichkeiten, wie Europa die Medienvielfalt durch das EU-Beihilferecht aktiv fördern kann. Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt in der Tat eine Gefahr für die Medienvielfalt dar, da zahlreiche Medienakteure vor dem Aus stehen; Stimmen gehen verloren. Viele europäische Länder haben Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, um dieser Bedrohung entgegenzutreten, wovon im Bericht einige betrachtet werden. Dieses Kapitel schließt dann mit einigen Hinweisen auf Möglichkeiten zur Förderung und zum Schutz der Medienvielfalt im bestehenden und künftigen EU-Recht. Die Autoren untersuchen und erläutern den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, die relevanten Abschnitte der AVMD-Richtlinie und die aktuelle P2B-Verordnung als mögliche Mittel zum Schutz des Medienpluralismus. Sie gehen darüber hinaus auf die Regulierung von Datenverarbeitungsvorgängen und die Richtlinie zum digitalen Binnenmarkt in Bezug auf das Urheberrecht ein.
Im Weiteren befasst sich diese neue Publikation eingehend mit einzelnen Ländern und bietet Berichte über sieben verschiedene EU-Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich. Für jedes Land untersuchen die Autoren das nationale Medienkonzentrationsrecht und die jüngsten Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden in diesem Bereich. Sie beleuchten zudem das Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten/kommerziellen Medien. Finanzierungsmechanismen und andere Entwicklungen im Bereich der Medienvielfalt werden ebenfalls diskutiert.
Eine vergleichende Analyse der verschiedenen nationalen Lösungen rundet dann diese Publikation ab: Medienrechtliche Bestimmungen zur Bekämpfung der Medienkonzentration, allgemeine wettbewerbsrechtliche Bestimmungen in Bezug auf wettbewerbsschädliche Praktiken auf den Medienmärkten sowie positive Maßnahmen zur Förderung des Medienpluralismus.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der besondere Kontext der COVID-19-Krise die Relevanz von Förderungs- und Finanzierungsprogrammen als Mittel zur Aufrechterhaltung lokaler, regionaler und sogar nationaler Dienste deutlich gemacht hat. Man kann davon ausgehen, dass in Zukunft mehr Maßnahmen als bisher ergriffen werden, um den Medienpluralismus zu fördern - sowohl finanziell als auch durch die Schaffung von mehr Transparenz, zum Beispiel durch neue Regulierungsinstrumente – und um die bereits bestehenden zu ergänzen.