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Europa hat sein Medienrecht - die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) - im November 2018 überarbeitet, und die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 19. September 2020 Zeit, ihre eigene nationale Gesetzgebung auf den neuesten Stand zu bringen. Aber wie viel Spielraum bleibt der audiovisuellen Industrie im jeweiligen Land für die Verabschiedung von Verhaltenskodizes (sei es Selbst- oder Ko-Regulierung) zur Umsetzung der Richtlinie, wenn die Mitgliedstaaten ihren Teil erledigt haben? Dieser jüngste Bericht der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle - „Selbst- und Ko-Regulierung in der neuen AVMD-Richtlinie“ - untersucht die neue AVMD-Richtlinie und die darin enthaltenen Systeme zur Selbst- und Ko-Regulierung.
Der Bericht, der von der Abteilung für Juristische Informationen der Informationsstelle in Zusammenarbeit mit ihrem Partnerinstitut für Europäisches Medienrecht (EMR) in Saarbrücken verfasst wurde, beginnt mit einer hilfreichen Übersicht über die wichtigsten Neuerungen in der überarbeiteten AVMD-Richtlinie. Diese neue Fassung befasst sich „wie nie zuvor“ mit Selbst- und Ko-Regulierung. Die Einzelheiten des neuen Schwerpunkts werden in den nachfolgenden Kapiteln beleuchtet.
In Kapitel zwei wird dann der rechtliche Rahmen für Selbst- und Ko-Regulierung im internationalen und europäischen Recht untersucht. Die Autoren zeichnen den Aufstieg dieser neuen „weicheren“ Form der Regulierung in den frühen neunziger Jahren nach, bevor sie sich mit der internationalen und europäischen Gesetzgebung befassen. Anschließend konzentrieren sie sich auf Selbst- und Ko-Regulierung in der europäischen Medienindustrie und insbesondere in der Vorgängerversion der AVMD-Richtlinie. In Bezug auf die überarbeitete Fassung zeigen die Autoren dann auf, dass das neue Recht Selbstregulierung in Bereichen wie dem Schutz Minderjähriger vor schädlichen Inhalten stark fördert. Selbstregulierungsinstrumente wie die Sendezeit, Mittel zur Altersverifikation oder andere technische Maßnahmen, die in einem angemessenen Verhältnis zur potenziellen Schädigung durch die Sendung stehen, werden im neuen AVMD-Text detailliert aufgeführt.
Werbung (audiovisuelle kommerzielle Kommunikation) ist ebenfalls ein Bereich, in die neue AVMD-Richtlinie Selbst- und Ko-Regulierung stark befürwortet. Damit soll die Einwirkung von Werbung für Alkohol oder zucker-, salz- oder fettreiche Lebensmittel und Getränke in Kindersendungen auf Minderjährige wirksam reduziert werden. Auch Video-Sharing-Plattformen werden in der neuen AVMD-Richtlinie, die hier eine Reihe zusätzlicher Verantwortlichkeiten vorsieht, spezifischer behandelt. Ein Ko-Regulierungsmodell für Video-Sharing-Plattformen sieht vor, dass diese die Vorschriften und bewährten Verfahren in ihre Geschäftsbedingungen aufnehmen. Die nationalen Regulierungsbehörden sind verpflichtet, ein wachsames Auge auf die Einhaltung der Vorschriften der AVMD-Richtlinie durch die Plattformen zu haben. Abgerundet wird das Kapitel durch einen Blick auf die Empfehlungen des Europarates im Bereich Selbst- und Ko-Regulierung der Medien.
Kapitel drei bietet individuelle Profilberichte aus acht verschiedenen europäischen Ländern: Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Polen und Slowakei. Sie wurden aufgrund der Eigenheiten ihrer Modelle ausgewählt. Jeder Abschnitt befasst sich mit der Selbst- und Ko-Regulierung in den drei Schlüsselbereichen, die sich wie Leitmotive durch den Bericht ziehen: Jugendschutz, Werbung und Video-Sharing-Plattformen.
Kapitel vier verfolgt einen horizontalen und damit vergleichenden Ansatz für die verschiedenen nationalen Strategien, die im vorigen Kapitel beschrieben wurden und unsere drei Leitmotive betreffen.
Das letzte Kapitel fünf umreißt die Vorteile einer verstärkten Selbst- und Ko-Regulierung gemäß der neuen AVMD-Richtlinie im Hinblick auf Jugendschutz, Werbung und Video-Sharing-Plattformen. Solche Systeme werden allmählich sowohl in Rechtsgemeinschaften als auch in der internationalen und nationalen Praxis anerkannt, da die meisten Beteiligten davon profitieren: Die Gesetzgeber können sich auf eine gezieltere und qualitativ hochwertigere Gesetzgebung konzentrieren. Die Regulierungsbehörden konzentrieren sich auf die Entwicklung von Richtlinien und die Überwachung und Sanktionierung offensichtlicher und/oder schwerwiegender Versäumnisse der Selbst- und Ko-Regulierung. Medienunternehmen profitieren von Regeln für ihre Aktivitäten, die ihren Bedürfnissen besser entsprechen. Und nicht zuletzt werden wir, die Nutzer der Medien, einen sichereren Zugang zu Produkten und Dienstleistungen durch einfachere und oft wirksamere Regeln erhalten, die ihrerseits sowohl von den Verbänden als auch von den Behörden überwacht werden.